Es ist ruhig da draußen, sehr ruhig. Mitten unter der Woche sind so wenige Autos unterwegs wie normalerweise an einem Sonntag. In den Medien liest, hört und sieht man jetzt gelegentlich, dass durch den wenigen Verkehr die Schadstoffe deutlich weniger geworden sind. Stimmen diese Berichte? Die kurze Antwort: größtenteils ja, in einigen Fällen nein.
Das ist ein Fall für „G´scheit angeben – mehr Niveau im Wetter-Small-Talk“. Was müssen der schlaue Wetterangeber und die schlaue Wetterangeberin zu diesem Thema wissen?
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Was stimmt ist, dass viele Messstationen, die an Straßen oder auch etwas mehr „im Grünen“ liegen, seit einigen Tagen weniger Schadstoffe messen. Was logisch ist: Denn weniger Verkehr bedeutet weniger Abgase.
Allerdings gab es zuletzt auch Tage mit überdurchschnittlich hoher Schadstoffbelastung. Wie geht das?
Das Wetter „rührt um“, aber nicht immer
Wie gut die Luft in einer Region ist, hängt stark vom Wetter ab. Ist zum Beispiel der Wind schwach, dann bleiben die Abgase in der Region und die Schadstoffbelastung steigt. Bei kaltem Wetter mit wenigen Wolken wird der Effekt noch verstärkt. Denn: Ohne Wolken kühlt es in den Nächten stark ab. Ohne Wind bleibt die kalte Luft auch tagsüber über dem Flachland und in den Tälern liegen, wie eine zähe Schicht Honig am Boden eines Milchglases. Somit liegt eine Art Deckel über der Landschaft und die Abgase sammeln sich in der unteren Luftschicht.
Bläst der Wind, dann „rührt er um“ in dieser verschmutzten Luft und verteilt die Abgase sehr weit in die Umgebung und in etwas höhere Luftschichten. Dadurch sinkt die Belastung mit Schadstoffen an einem bestimmten Ort.
Gelegentlich sogar eine höhere Schadstoffbelastung
Genau das wurde in den letzten Tagen auch an den Luftgüte-Stationen des Umweltbundesamts in Österreich gemessen und auch in vielen anderen Ländern. Durch den wenigen Verkehr gab es weniger Abgase und die meiste Zeit auch geringere Konzentrationen von Schadstoffen an den Messstationen, im Vergleich zum März der letzten beiden Jahre. Gab es dazu noch viel Wind, war der Effekt noch stärker, wie beim Wettersturz am vergangenen Wochenende.
Zeitweise war die Belastung mit Schadstoffen aber in den letzten Tagen trotz weniger Verkehr sogar gleich hoch oder etwas höher als im März der beiden letzten Jahren bei vollem Verkehr. Zum Beispiel, wenn sich durch windschwaches Wetter die Abgase in einer Region gesammelt haben – also durch den vorhin beschiebenen Effekt.
Hier zwei Grafiken des Umweltbundesamts aus Wien und Graz. Einfach gesagt zeigen sie: Wenn die blaue Kurve unter der roten Kurve ist, war die Belastung mit Schadstoffen geringer als im März der beiden letzten Jahre.
Aber das mit dem Sonnblick ist falsch
Kurz gesagt: Ja, die Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona bewirken über weite Strecken auch eine Verbesserung der Luftqualität, wenn auch nicht immer.
Kommen wir zum zweiten Teil dieses Themas:
Einige Medien berichteten in den letzten Tagen, dass durch die Corona-Maßnahmen auch die Treibhausgase in der Atmosphäre zurückgehen und zeigten dazu eine Messkurve vom Sonnblick-Observatorium der ZAMG (siehe Grafik).
Das ist leider eine falsche Interpretation der Messdaten.
Sieht man sich die gesamte Kohlendioxid-Messreihe am Sonnblick der letzten 20 Jahre an, fallen zwei Dinge auf. Es ist eine Art Zick-Zack-Sägezahn-Muster und die Kurve geht insgesamt nach oben.
Das jährliche Zick-Zack verursacht die Natur
Das die Kurve insgesamt nach oben geht (ca. 10 Prozent in den letzten 20 Jahren) liegt daran, dass wir Menschen weltweit immer mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen, durch Verkehr, Heizung, Fabriken etc.
Für das Sägezahn-Muster ist aber die Natur verantwortlich und damit auch für den Rückgang des Kohlendioxid-Gehalts in den letzten Wochen. Das passiert jedes Jahr im Frühling gleich.
Die Photosynthese reinigt die Luft
Wenn die Natur im Frühling erwacht und die Pflanzen wieder austreiben und wachsen, verbrauchen sie massiv Kohlendioxid.
Es geht um die Photosynthese. Ein Wort das mich sofort an einen sehr strengen Biologielehrer erinnert. Es gab bei uns einmal eine Bio-Stunde, in der fast alle der Klasse ein Nicht Genügend bekommen haben, weil wir nicht wussten, was die Photosynthese ist. Dann mussten wir die Definition zig Mal schreiben und auswendig lernen.
Vereinfacht gesagt ist die Photoynthese: Pflanzen nehmen Kohlendioxid auf und produzieren daraus mittels Sonnenlicht und Wasser und Blattgrün für sie wichtige Stoffe wie Zucker. Dabei wird auch Sauerstoff frei. Pflanzen reinigen also die Luft, in dem sie Kohlendioxid einatmen und Sauerstoff ausatmen.
Je mehr Pflanzen es gibt und je größer sie sind, desto stärker ist dieser Effekt.
Genau das wird jeden Frühling am Sonnblick gemessen: Die Natur beginnt zu wachsen und die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre wird weniger. Im Herbst ist es umgekehrt. Die Blätter verwelken, die Photosynthese wird massiv weniger und die Menge an Kohlendioxid in der Luft wird wieder mehr. Fertig ist unsere Zick-Zack-Kurve. Und weil wir Menschen immer mehr Kohlendioxid in die Luft blasen geht diese Zick-Zack-Kurve insgesamt nach oben.
Das Atmen der erwachenden Natur
Das heißt: Was wir derzeit an den Messungen am Sonnblick sehen, ist – poetisch ausgedrückt – das Atmen der erwachenden Natur. Das hat mit der aktuellen Verringerung des Verkehrs seit ein paar Tagen nichts zu tun.
So, das sollten genug Fakten zum „G´scheit angeben, für mehr Niveau im Wetter-Small-Talk“ sein. Auch wenn die Möglichkeiten für Small-Talk derzeit relativ gering sind. „G´scheit sein“ kann ja auch als Selbtzweck Spaß machen 😉
Und eine Fortsetzung zum Thema „Corona und Wetter“ bietet sich auch schon an. Es kursieren nämlich derzeit einige Artikel über die Frage, ob die Corona-Maßnahmen die Qualität der Wettervorhersage beeinflussen. Mehr dazu hier in den nächsten Tagen.
Für heute vielen Dank für Deine Zeit mit der Wetterzeit,
bis zum nächsten Mal!