„Mega-Hurrikan Lorenzo steuert auf Europa zu!“ und ähnliche Schlagzeilen sind derzeit zu lesen. Müssen wir uns in Europa vor diesem Hurrikan fürchten? Gleich die kurze Antwort für jene, die wenig Zeit und/oder Lust zum Lesen haben: Wirklich gefährlich ist Lorenzo „nur“ für die Azoren, aber nicht für das europäische Festland. Aber woher kommt der aktuelle Hurrikan-Hype? Warum ist Lorenzo ein ganz besonderer Hurrikan? Und was haben Hurrikans wie Lorenzo überhaupt mit dem Wetter in Europa zu tun?
Lorenzo wird diese Woche noch ein paar Tage durch die Medien geistern. Nicht immer in Verbindung mit seriösen Fakten. Eine schnelle Google-Recherche ergibt zum Beispiel:
- „Hurrikan Lorenzo rollt auf Europa zu“
- „Erstmals: Hurrikan Lorenzo steuert auf Europa zu“
- „Kategorie 5 von 5: Rekord-Hurrikan steuert auf Europa zu“
Was davon stimmt, was ist übertrieben und was ist schlicht und einfach falsch?
Was macht Lorenzo so ungewöhnlich?
Lorenzo ist aus zweifacher Sicht ungewöhnlich:
- Stärkster Hurrikan so weit im Ost-Atlantik: Am vergangenen Sonntag (29.9.2019) erreichte Lorenzo Windgeschwindigkeiten der Kategorie 5. Das ist die höchste Hurrikan-Kategorie, mit Windgeschwindigkeiten über 250 km/h. Das Besondere daran: Lorenzo ist der erste Hurrikan der Kategorie 5, der so weit im Osten des Atlantiks beobachtet wurde.
- Hurrikans sind im Bereich der Azoren sehr selten: Laut Deutschem Wetterdienst erfassten in den letzten 50 Jahren 20 tropische Stürme die Azoren. Nur vier davon waren Hurrikans (und „nur“ der ersten Kategorie). Der stärkste Hurrikan, der die Azoren direkt traf, war „Hurrikan 8“ im Jahr 1926. Er hatte Kategorie-2, mit mittleren Windgeschwindigkeiten von knapp 170 km/h.
Was erwartet die Azoren?
Lorenzo ist in den letzten Stunden von einem Hurrikan der höchsten Kategorie 5 zu einem Hurrikan der Kategorie 2 geworden. Das Zentrum des Wirbelsturms zieht am Mittwoch in der Früh im Nordwesten der Azoren vorbei. Die westlichsten Teile der Azoren dürften sogar direkt in der Zugbahn des Zentrums liegen.
Auf den Azoren wurden Wetterwarnungen ausgegeben (Bild 1), wobei die heftigsten Auswirkungen in der Nacht auf Mittwoch und am Mittwoch selbst zu erwarten sind.
Das National Hurricane Center der USA und der Deutsche Wetterdienst erwarten für die Azoren Windgeschwindigkeiten von 120 bis 150 km/h an, auf den Bergen mehr als 200 km/h. Dazu kommen mächtige Wellen, die an der Küste Schäden und Überschwellungen verursachen können. In der näheren Umgebung von Lorenzo sind die Wellen zwischen 5 und 10 Meter hoch, stellenweise sogar bis zu 15 Meter.
Und dann Irland und Schottland?
Nach den Azoren zieht Lorenzo Richtung Irland und Schottland weiter und wird dabei langsam schwächer. Denn einerseits er erreicht immer kühleres Wasser (unter 20 °C), und Hurrikans brauchen warmes Wasser um ihre Stärke zu erhalten. Und andererseits kommt er in Bereich mit starken Windscherungen mit der Höhe. Das stört die Zirkulation des Hurrikans.
Somit dürfte sich Lorenzo allmählich in einen „normales“ Tiefdruckgebiet umwandeln und am Donnerstag westlich von Irland liegen. Der Irische Wetterdienst hat für Donnerstag eine Sturmwarnung ausgegeben, mit rund 80 bis 100 km/h Windspitzen an der Westküste.
Die genaue Zugbahn ist derzeit noch nicht vorhersagbar. Bild 3 zeigt, dass die Berechnungen in den Folgetagen deutlich auseinander gehen.
Interessant finde ich auch folgenden Vergleich des Irischen Wetterdiensts: Lorenzo dürfte ungefähr 1000 Kilometer südwestlich von Irland seine Hurrikan-Stärke verlieren. Beim Hurrikan Ophelia im Oktober 2017 war das erst 500 Kilometer vor Irland der Fall. Ophelia verursachte damals in Irland massive Schäden.
Aus derzeitiger Sicht sollten sich die Auswirkungen auf Irland und Schottland also in Grenzen halten.
Wie oft kommt das vor?
Es kommt immer wieder vor, dass Hurrikans mit dem Westwind als normale Tiefdruckgebiete Europa erreichen und hier das Wetter beeinflussen. Je nach exakter Lage können sie dann zum Beispiel sehr mildes Wetter bringen oder Regen und Abkühlung.
Wie weit Lorenzo ab dem Wochenende bei unserem Wetter mitmischt, lässt sich derzeit noch nicht sagen.
Selten ist, dass Hurrikans oder Tropische Wirbelstürme mit gefährlichen Auswirkungen Europa erreichen. Hier einige Beispiele der Vergangenheit.
- 1961 erreicht der Wirbelsturm Debbie Irland. Es gibt dazu immer noch Diskussionen, ob er beim Auftreffen auf Irland noch als Tropischer Sturm zu klassifizieren war. Debbie brachte auf jeden Fall massive Schäden und in der Nähe der Küste wurden Windspitzen von 183 km/h gemessen.
- 2005 erreichte der ehemalige Hurrikan Vince als Sturmtief die Iberische Halbinsel. Er brachte vor allem im Südwesten von Spanien Sturm und starken Regen.
- 2017 zog Hurrikan Ophelia an den Azoren und an der Iberischen Halbinsel vorbei und traf dann auf Irland, Schottland und England (siehe oben).
- 2018 zog Leslie als Hurrikan der Kategoerie 1 südlich der Azoren vorbei und erreicht die als Sturmtief die Iberische Halbinsel. Laut Deutschem Wetterdienst gab es in Portugal und Spanien Schäden in der Höhe von 450 Millionen Euro.
Danke für Deine Zeit mit der Wetterzeit, bis zum nächsten Mal!