{"id":3372,"date":"2020-09-11T12:58:45","date_gmt":"2020-09-11T10:58:45","guid":{"rendered":"https:\/\/wetterzeit.at\/?p=3372"},"modified":"2020-09-14T10:02:02","modified_gmt":"2020-09-14T08:02:02","slug":"altweibersommer-zum-gscheit-mitreden","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/wetterzeit.at\/altweibersommer-zum-gscheit-mitreden\/","title":{"rendered":"Altweibersommer zum \u201eg\u00b4scheit Mitreden\u201c"},"content":{"rendered":"\n

Wenn Du beim aktuellen Wetter derzeit \u201eg\u00b4scheit mitreden\u201c will, erf\u00e4hrst Du hier: wie lange uns dieses stabile Hoch erhalten bleibt, wie ungew\u00f6hnlich 30er im September sind, wie stark dieser September Richtung Rekordmonat geht, welche unterschiedliche Theorien es zum Begriff Altweibersommer gibt und warum es dazu sogar schon einen Gerichtsprozess gab.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Ein paar Fakten also f\u00fcr mehr Niveau im t\u00e4glichen Wetter-Small-Talk \ud83d\ude09<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Info: Diesen Beitrag gibt es auch als Podcast (Download f\u00fcr Android, iOS und Spotify siehe Spalte rechts) und hier als Audio-Datei<\/em>:<\/p>\n\n\n\n

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Der Sommer 2020 bringt also kurz vor seinem Ende doch noch so richtig stabiles Wetter. \u00dcber Mitteleuropa liegt derzeit ein Hochdruckgebiet, das sich ziemlich sicher noch einige Tage h\u00e4lt, zumindest bis Mitte der kommenden Woche.<\/p>\n\n\n\n

F\u00fcr die Zeit ab Donnerstag (17.9.) gibt es derzeit zwei Varianten: a) einen feucht-k\u00fchlen Streifschuss oder b) freundliche aber deutlich weniger warme Tage.<\/p>\n\n\n\n

Dem Druck beim Steigen zuschauen<\/h3>\n\n\n\n

In den n\u00e4chsten Tagen verst\u00e4rkt sich das aktuelle Hochdruckgebiet auf jeden Fall, wie Du selber beobachten kannst, falls Du einen Barometer daheim an der Wand hast, oder am Handy, oder auf einer Sportuhr, oder wo auch immer. Der Luftdruck liegt am Wochenende (12.\/13.9.) und zu Beginn der neuen Woche zwischen 1020 und 1030 hPa (hPa steht f\u00fcr Hektopascal, die Einheit des Luftdrucks, fr\u00fcher Millibar). Zum Vergleich: Der durchschnittliche Luftdruck liegt bei 1013 hPa.<\/p>\n\n\n\n

Kurze Hintergrund-Info: Alle Werte sind reduziert auf Meeresniveau. Nur so ist der Luftdruck von verschiedenen Orten vergleichbar, weil er stark von der H\u00f6he Seeh\u00f6he abh\u00e4ngt (je h\u00f6her am Berg, desto geringer der Luftdruck).<\/em><\/p>\n\n\n\n

Luftdruck 1030 hPa: Ein m\u00e4chtiges Hoch genau \u00fcber Mitteleuropa in der Prognosekarte f\u00fcr Montag (14.11.). Credit: windy.com<\/strong><\/figcaption><\/figure>\n\n\n\n

Der eine oder andere 30er erwartet uns<\/h3>\n\n\n\n

Dieses kr\u00e4ftige und stabile Hochdruckgebiet enth\u00e4lt sehr trockene und auch sehr warme Luft. Bis weit in die n\u00e4chste Woche hinein erwarten uns viele Sommertage, also Tage mit mindestens 25 Grad. Und an einigen Orten wird sich auch ein 30er ausgehen, also nach der meteorologischen Definition ein \u201ehei\u00dfer Tag\u201c.<\/p>\n\n\n\n

Temperaturen \u00fcber 30 Grad sind in Mitteleuropa \u00fcbrigens im September nicht ungew\u00f6hnlich und kommen nahezu jedes Jahr vor. In Wien zum Beispiel gab es nach Auswertungen der ZAMG (Zentralanstalt f\u00fcr Meteorologie und Geodynamik) in den letzten 20 Jahren alle zwei bis drei Jahre einen 30er.<\/p>\n\n\n\n

In \u00d6sterreich liegen die September-Rekorde in allen Bundesl\u00e4ndern sogar zwischen 33 und 36 Grad. An der Spitze ist Pottschach in Nieder\u00f6sterreich mit 36,0 Grad am 1. September 2015.<\/p>\n\n\n\n

Selbst tief im Herbst sind noch hei\u00dfe Tage m\u00f6glich: Die sp\u00e4testen 30er in \u00d6sterreichs Messgeschichte der wurden im Oktober gemessen: am 4. Oktober 1966 mit 30,2 Grad in Fu\u00dfach und 30,1 Grad Schlins, beide in Vorarlberg.<\/p>\n\n\n\n

September k\u00f6nnte sehr, sehr, seeeeehr warm ausfallen<\/h3>\n\n\n\n

Von den Rekorden der Vergangenheit zur\u00fcck in die Gegenwart und zu einer noch sehr spekulativen Aussage: So sommerlich, wie der September derzeit unterwegs ist, k\u00f6nnte er in der Endabrechnung einer der w\u00e4rmsten September der Messgeschichte sein, auch Platz 1 ist m\u00f6glich. Derzeit liegen wir schon knapp zwei Grad \u00fcber dem vielj\u00e4hrigen Durchschnitt (Klimavergleichsperiode 1981-2010) und die richtig warmen Tage kommen erst noch. Da muss es also in der zweiten Septemberh\u00e4lfte schon knackig kalt werden, dass das am Ende nicht einer der w\u00e4rmsten September der Messgeschichte wird.<\/p>\n\n\n\n

Altweibersommer: so sch\u00f6n und <\/strong>keiner wei\u00df woher<\/h3>\n\n\n\n

So ein stabiles Hochdruckgebiet am Ende des Sommer, wie wir es jetzt erleben, hat \u00fcbrigens einen sehr bekannten Namen: Altweibersommer. Den Begriff kennen viele Menschen, woher er aber wirklich kommt ist nicht ganz klar. Einen sch\u00f6nen \u00dcberblick \u00fcber die unterschiedliche Erkl\u00e4rungen bietet ein Wikipedia-Eintrag, der verschiedene etymologische Quellen zitiert (->hier<\/a>). Ein paar Beispiele:<\/p>\n\n\n\n

Balloning: der gef\u00e4hrliche Flug der Spinne<\/strong><\/h3>\n\n\n\n

Eine sehr h\u00e4ufige Erkl\u00e4rung des Begriffs Altweibersommer ist: Das Wort kommt von \u201eweiben\u201c, dem althochdeutschen Begriff f\u00fcr \u201eweben\u201c. Diese Erkl\u00e4rung h\u00e4ngt mit den Spinnweben zusammen, die wir im Sp\u00e4tsommer und im Herbst oft durch die Luft segeln sehen. Daf\u00fcr streckt die Spinne ihren Hintern in den Wind und produziert einen Faden. Ist der Faden lange genug, fliegt die Spinne an ihrem Faden davon.<\/p>\n\n\n\n

In wissenschaftlichen Berichten lie\u00dft man, dass Spinnen auf diese Art Flugh\u00f6hen von einigen Tausend Metern erreichen k\u00f6nnen und Strecken von \u00fcber 100 Kilometern zur\u00fccklegen. Diese Methode erlaubt sehr effizient die Ausbreitung der Spinnen, allerdings nicht immer mit gutem Ende: Viele werden noch w\u00e4hrend des Flugs von V\u00f6geln gefressen.<\/p>\n\n\n\n

\u00dcbrigens h\u00f6rt man im Zusammenhang mit Altweibersommer fast nur von den fliegenden Spinnf\u00e4den. Im Herbst sieht man aber wegen der Tautropfen in der Fr\u00fch auch sehr gut die frisch gewebten Netze der Baldachinspinnen in den Wiesen. Der Altweibersommer und die Spinnen passen also gut zusammen.<\/p>\n\n\n\n

Im Altweibersommer sind die Spinnen eifrig am Weiben\/Weben. Credit: wetterzeit.at\/Wostal<\/strong><\/figcaption><\/figure>\n\n\n\n

Alt und und gut oder <\/strong>g<\/strong>\u00f6ttlich und allwissend?<\/strong><\/h3>\n\n\n\n

Andere Erkl\u00e4rungen des Begriffs Altweibersommer gehen mehr in die Richtung \u201eletzte Bl\u00fcte des alternden Sommers\u201c. Dazu passen zum Beispiel der schweizerische Begriff \u201eWitwes\u00f6mmerli\u201c und der bayrische Begriff \u201e\u00c4hnlsummer\u201c (Gro\u00dfvatersommer).<\/p>\n\n\n\n

Der Deutschen Wetterdienst bietet auf der Website noch eine weitere Erkl\u00e4rung (->hier<\/a>): \u201e\u2026. Mit der Bezeichnung \u00b4Altweiber\u00b4 wird \u2026 ein Bezug zu mythologischen Schicksalsg\u00f6ttinnen hergestellt (z. B. Nornen), welche allwissend die Lebensf\u00e4den der G\u00f6tter und Menschen spinnen…\u201c<\/p>\n\n\n\n

Altweibersommer vor Gericht<\/h3>\n\n\n\n

Der Deutsche Wetterdienst hatte mit dem Altweibersommer \u00fcbrigens schon ein sehr weltliches Problem. Ein \u00e4ltere Dame st\u00f6rte die Verwendung des Begriffs \u201eAltweibersommer\u201c im Wetterbericht und klagte den Deutschen Wetterdienst. Ihre Begr\u00fcndung: Der Begriff sei in Bezug auf Geschlecht und Alter eine Herabw\u00fcrdigung und solle in den f\u00fcr die Medien gefertigten Wetterberichte unterlassen werden.<\/p>\n\n\n\n

Das Landgericht Darmstadt hat die Klage in eine Urteil vom 8. Dezember 1988 abgewiesen. Das Urteil in Kurzfassung: Die Verwendung des Begriffs \u201eAltweibersommer\u201c im Wetterbericht stelle keine frauenfeindliche Diskriminierung dar und sei auch kein Eingriff in die Pers\u00f6nlichkeitsrechte \u00e4lterer Frauen. Weiters sei der Begriff seit Jahrhunderten im deutschen Sprachgebrauch fest verankert und stehe eigentlich f\u00fcr eine angenehme Wetterphase.<\/p>\n\n\n\n

Wer sich f\u00fcr die juristischen Details interessiert, findet bei einer Websuche von \u201eLG Darmstadt Az.: 3 O 535\/88\u201c den gesamten Urteilsspruch.<\/p>\n\n\n\n

Ich nehme an, dass dieser Gerichtsprozess auch der Grund f\u00fcr einen meiner Meinung etwas schr\u00e4gen Satz im Wetterlexikon auf der Website des Deutschen Wetterdiensts ist: \u201eDie Bezeichnung Altweibersommer erscheint aus meteorologischer Sicht weder frauenfeindlich noch despektierlich. \u201c (->hier<\/a>)<\/p>\n\n\n\n

G\u00b4scheit mitreden<\/h3>\n\n\n\n

Klagen zahlt sich also im Altweibersommer nicht aus. Genie\u00dfen wir daher das sch\u00f6ne Finale des Sommers und fassen wir unser \u201eg\u00b4scheit mitreden\u201c-Fakten zusammen:<\/p>\n\n\n\n