Im Herbst wachsen wir über uns hinaus

Normal begleitet er uns treu und unbemerkt durch den Tag, heute soll er im Mittelpunkt stehen: unser Schatten. Im Sommer ist er nur ein kleiner Teil von uns, jetzt im Herbst kommt er in Form. Sehen wir uns an, wie stark wir derzeit über uns hinauswachsen – oder um exakt zu sein: wie stark unser Schatten wächst.

Vorweg: Für diesen Beitrag bin ich bezüglich Winkel, Winkelfunktionen, etc. in einige unnötige trigonometrische Sackgassen eingebogen. Jetzt sollten die Zahlen passen. Allerdings: Die Matura liegt doch schon ein paar Herbste zurück – wenn Dir Fehler auffallen, bin ich für jede Rückmeldung dankbar.

Schattenspiele

Wie war das noch – Gegenkathete durch Ankathete oder umgekehrt? ©Wetterzeit/Wostal

Aber jetzt zum Thema und damit zu einem treuen Begleiter, der sonst neben uns nur ein Schattendasein führt:
Wir kennen die typischen Redewendungen für den Herbst: „die Sonne steht nicht mehr so hoch am Himmel“, „die Tage werden kürzer“, „die Schatten werden länger“ und so weiter.

Aber was tut unser Schatten im Herbst genau? Wie geht es ihm überhaupt im Laufe eines Jahres? Keine Ahnung? Ich bis vor kurzem auch nicht. Aber das darf nicht sein. Immerhin geht es hier um jemanden, der uns unser gesamtes Leben begleitet.

Von halb so groß bis zum Dreifachen unserer Größe

Schatten auf der geografischen Breite von Wien und von einer 1,75 m großen Person. Bild: Wetterzeit/Wostal

Schatten ziehen sich im Sommerhalbjahr zurück. Zu Sommerbeginn sind sie nicht einmal halb so groß wie wir. Ein Beispiel: Zum heurigen Sommerbeginn, am 21. Juni, war der Schatten einer 1,75 Meter großen Person nur rund 80 Zentimeter lang.

Aber dann: Um den 13. September herum war unser Schatten immerhin schon gleich groß wie wir. Und zum Herbstbeginn, am 23. September, ist er uns deutlich über den Kopf gewachsen. Da war der Schatten einer 1,75 Meter großen Person schon rund zwei Meter lang.

Jetzt, Mitte Oktober, ist unser Schatten etwa ein Meter größer als wir. Und er wächst weiter. Jeden Tag wird unser Schatten um vier Zentimeter länger.

Wir wachsen also derzeit gewaltig über uns hinaus!

Die maximale Größe erreicht unser Schatten zum Winterbeginn, am 21. Dezember. Dann ist er drei Mal so groß wie wir. Der Schatten einer 1,75 Meter großen Person ist am Tag des Winterbeginns zu Mittag rund 5,3 Meter lang.

In Berlin zwei Meter länger als in Zürich

Übrigens wichtig, falls ihr nachmessen wollt: Alle Zahlen gelten immer für den Sonnenhöchststand zu Mittag für die geografische Breite von Wien.

Je weiter man nördlich geht, desto länger sind die Schatten. Je weiter südlich, desto kürzer. In Zahlen: Der Schatten einer 1,75 Meter großen Person ist in Berlin jetzt (Mitte Oktober) rund 3,2 Meter lang, in Zürich dagegen nur rund 2,6 Meter. In Wien sind es derzeit rund 2,7 Meter.

Zum Winterbeginn beträgt der Unterschied der Schattenlänge zwischen Zürich und Berlin sogar zwei Meter (bei einer 1,75 Meter großen Person).

Wer den Schatten nicht ehrt…

Unser Schatten führt also ein sehr beachtliches Eigenleben. In nur sechs Monaten wächst er um 4,5 Meter. Jetzt im Oktober legt er pro Tag um vier Zentimeter zu. Und sogar wenn wir auf Reisen gehen, führt er – meistens völlig unbemerkt – ein beachtliches Eigenleben.

Es ist also höchst an der Zeit, unserem Schatten gelegentlich freundlich und respektvoll zuzuwinken. Gerade jetzt im Herbst, der Zeit des schönen Lichts und der schnell wachsenden Schatten.

Und es ist Zeit für eine neue Redewendung: „Wer den Schatten nicht ehrt, ist die Sonne nicht wert“. 😉

Danke für eure Zeit mit der Wetterzeit, schönen Herbst!

Mitte Oktober ist der Schatten rund einen Meter länger als die Köpergröße. ©Wetterzeit/Wostal

Mehr dazu im Web

Wer die Formel selber herleiten möchte, findet hier Tipps: http://www.geoastro.de/astro/mittag/index.htm

Und wer lieber das Internet rechnen lässt, ist hier gut aufgehoben: https://rechneronline.de/sehwinkel/schattenlaenge.php